Im Test, der Bulls Grinder 3: Wer heute ins Rennrad-Leben einsteigen will, tut das am besten mit einem Gravel-Bike. Die Alleskönner machen die Streckenwahl flexibel und haben „alte Zöpfe“ hinter sich gelassen. Mit dem Grinder 3 zeigt Bulls, wie’s geht.
Fragen Rennrad-Novizen heute, welches Rennrad sie sich kaufen sollten, kann der Expertenrat nur lauten: Kauft euch kein Rennrad – kauft euch ein Gravel-Bike. Allzu oft nämlich sieht man Einsteiger unsicher über die glatten Hauptverkehrsstraßen irren und wünscht ihnen etwas mehr Freiheit bei der Streckenführung. Asphaltierte Wirtschaftswege oder Naturstraßen etwa, auf denen sie dem schnellen Autoverkehr entkommen können, sind für Anfänger mit schmalen Rennradreifen kaum fahrbar. Rollt man aber mit einem voluminösen, dabei leicht laufenden Pneu daher, verlieren auch schlechte Strecken ihre Schrecken, und der Radsport-Spaß kann richtig losgehen.
Bulls Grinder 3 – die Definition eines Gravelbikes
Wer jetzt nicht so genau weiß, was ein Gravel-Bike eigentlich ist, der stelle sich einfach ein Querfeldeinrad mit komfortabler Sitzgeometrie vor – will heißen langes Steuerrohr und kurzes Oberrohr. Dazu kommen Details wie eine klettertaugliche Übersetzung und ein breiter Rennlenker; nicht fehlen dürfen außerdem allerlei Gewindeösen, mit denen sich das Gravel-Bike zum Reise- oder Alltagsrad umrüsten lässt. Scheibenbremsen sind ein Muss, aufs Gewicht wird weniger geachtet. In erster Linie muss das Rad nämlich stabil sein, ein Alu-Rahmenset ist also erste Wahl. Typisch sind außerdem die im Vergleich zum Crosser sehr, im Vergleich zum Rennrad sehr, sehr breiten Reifen – 40 mm sind nicht ungewöhnlich. Der Rahmen muss daran natürlich angepasst sein.
Geometrie Bulls Grinder 3
49cm | 52cm | 55cm | 58cm | 61cm | |
Sitzrohr (in mm) | 490 | 520 | 550 | 580 | 610 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 536 | 552 | 569 | 587 | 604 |
Steuerrohr (in mm) | 135 | 160 | 189 | 213 | 240 |
Kettenstrebe (in mm) | 430 | 430 | 430 | 430 | 430 |
Radstand (in mm) | 1020 | 1024 | 1037 | 1047 | 1061 |
Lenkwinkel (in °) | 70 | 71 | 71.5 | 72 | 72 |
Sitzwinkel (in °) | 73.5 | 73.3 | 73 | 72.8 | 72.5 |
Reach (in mm) | 370 | 375 | 381 | 389 | 395 |
Stack (in mm) | 562 | 589 | 614 | 638 | 664 |
Ein Rad, das perfekt in dieses Schema passt, ist das Bulls Grinder 3 – das sieht man bereits an der Rahmenform mit dem sehr kurzen Sitzrohr. Bei mittlerem Auszug der Sattelstütze befinden sich Sattel und Lenker in etwa auf einer Höhe; so sitzt man also ziemlich aufrecht, dabei jedoch nicht gerade kurz. Bei einer Steuerrohrlänge von 213 mm ist das Oberrohr nämlich knapp 59 cm lang, womit das 58er Grinder ziemlich genau einem Rennrad in Größe 62 entspricht. Auch bei den kleineren Rahmenhöhen ist das Verhältnis von Ober- und Steuerrohrlänge ausgeglichen, sodass die geometrischen Besonderheiten des Grinder letztlich nur im kurzen Sitzrohr und der auffälligen Sloping-Form liegen.
Rahmen | Aluminium 7005 |
Federgabel | Carbon |
Laufräder | WTB-Felgen, Formula-Naben |
Reifen | Schwalbe G-One Performance |
Schaltwerk | Shimano Ultegra |
Schalthebel | Shimano Ultegra |
Kurbel | Shimano Ultegra |
Umwerfer | Shimano Ultegra |
Bremse | Shimano BR-R805 |
Sattelstütze | Bulls Aluminium |
Sattel | STYX Seta S1 |
Vorbau | Bulls Aluminium |
Lenker | Bulls Aluminium |
Bulls Grinder 3 – komplett mit Shimano Ultegra
Auf dem Velomotion-Grinder saß der Testfahrer jedenfalls ziemlich aufrecht, was der Fahrfreude aber keinen Abbruch tat. Ziemlich schnell wird nämlich klar, dass sich dieses Rad ausgesprochen sportlich fährt: Der solide Aluminiumrahmen ist angenehm steif, die Lenkung agil. Unterschiede zum „echten“ Rennrad und zum Cyclocross-Bike mögen vorhanden sein, sind aber nicht so ausgeprägt, dass sie dem Bulls Grinder 3 einen trägen Charakter geben würden.
Der Alu-Rahmen des Grinder kann mit zahlreichen Details gefallen: Das abgeflachte Oberrohr wirkt elegant und ist praktisch, wenn das Rad in Querfeldein-Manier getragen wird. Bremsleitung und Schaltzüge werden durchs Unterrohr geführt, das Tretlagergehäuse ist im modernen PressFit-Standard gehalten. Dazu kommen wie erwähnt diverse Gewindeeinsätze, etwa am Steg hinter dem Tretlager, aber ebenso an Gabel und Hinterbau. Nur am Oberrohr vermisst man eine Befestigungslösung für eine kleine Rahmentasche, wie sie in Langstrecken-Kreisen derzeit sehr angesagt ist.
Bulls spendiert dem Grinder eine komplette Shimano Ultegra inklusive formschöner Hydraulik-Schaltbremsgriffe. Wie gewohnt, funktioniert die Gruppe perfekt und erfreut hier insbesondere durch die angepasste Übersetzung mit 46/36er Kettenradgarnitur. Dazu eine Kassette mit 11-32 Zähnen, und man ist für die Schussfahrt ebenso gerüstet wie für steile Kletterpartien.
Bulls Grinder 3 – die Laufräder sind ein Highlight
Einen guten Griff hat Bulls bei der Wahl der Laufräder getan. Verbaut wurde der derzeit vielleicht interessantestn Reifen am Markt, der G-One von Schwalbe, hier in der teuren Tubeless-Ausführung. Auf Asphalt rollt der Pneu auch mit sehr niedrigem Reifendruck extrem leicht. Wir füllten knapp über 2 bar in den G-One, der sich mit 40 mm Breite auch über Stock und Stein als komplett durchschlagresistent erwies. Bei trockenem Untergrund nimmt es der Reifen ebenso mit Waldboden wie mit sandigen Pisten und mit tiefem Split bedeckten Reitwegen auf. Im Verbund mit dem geringen Druck ist der Grip der kleinen runden Profilnoppen enorm.
Auch die WTB-Felgen am Bulls sind auf Tubeless-Bereifung ausgerichtet; die Umrüstung ist also kein Problem. Der Verzicht auf Schläuche verringert den Rollwiderstand noch weiter und minimiert das Pannenrisiko – erfreulich angesichts des komplizierten Vorderrad-Ausbaus am Bulls Grinder 3. Zum Einsatz kommt nämlich eine Steckachse, die mit viel Kraft eingeschraubt und gelöst werden muss, wobei der zum Durchrutschen neigende Spannhebel nicht gerade hilfreich ist. Angesichts dieser Erschwernis wünscht man sich eine klassische Spannachse, wie sie am Hinterrad verbaut ist.
Das ist dann aber auch das einzig Negative am Bulls Grinder 3. Selbst sein Gewicht – 10,1 Kilo beim Testrad – fällt angesichts der flotten Fahreigenschaften nicht auf. Beim Gravel-Bike zählt dieses Merkmal ohnehin nicht viel; der Preis dagegen ist sehr relevant. Und der liegt mit 1.899 Euro relativ niedrig. Was gerade den Rennrad-Einsteiger freuen wird, der mit dem Bulls Grinder 3 ein Rad bekommt, das viel mehr kann, als nur schnell über glatten Asphalt zu rollen – das aber auch sehr gut.
Vincent says
Excellent review, says it all. Good mix of facts and opinion also, the reviewer clearly know what he is talking about. Compliments! This gravel bike seems to be real good value for not too much money. With the specs at that price point (Ultegra group, tubeless-ready rims, up to 40mm tires) this offer is very hard to beat. 10+ kilo is a bit on the heavy side though, but OK, for under €2K you can’t have it all, can you? I just may have found myself my new all-round all-road race bike 🙂 Danke!
Nimoy says
Die Aussage „Bei mittlerem Auszug der Sattelstütze befinden sich Sattel und Lenker in etwa auf einer Höhe; so sitzt man also ziemlich aufrecht, dabei jedoch nicht gerade kurz. Bei einer Steuerrohrlänge von 213 mm ist das Oberrohr nämlich knapp 59 cm lang, womit das 58er Grinder ziemlich genau einem Rennrad in Größe 62 entspricht“ kann ich nicht nachvollziehen. Mal abgesehen davon, dass „aufrecht“ und „nicht gerade kurz“ aus meiner Sicht nicht gleichzeitig möglich sind, reicht die Oberrohrlänge allein nicht aus, um zu beurteilen, wie „lang“ ein Rad ist, bzw. wie „gestreckt“ (d.h. wenig aufrecht) man auf dem Rad sitzt. Für einen vernünftigen ersten Vergleich von Rahmengeometrien werden von den Herstellern dafür inzwischen glücklicherweise Reach und Stack angegeben. Da die Sitzposition im Vergleich zum Tretlager unabhängig von der Rahmengeometrie sein sollte (ihr kennt das: Lot vom Knie durch Pedal …), muss der Sattel bei einem kleineren Sitzrohrwinkel und damit längerem Oberrohr entsprechend weiter Richtung Steuerrohr verschoben werden. Das Gravel Grinder hat übrigens eine sehr viel „bequemere“ Geometrie als Rennräder sie gewöhnlich haben. Ob der Rahmen nun ein abfallendes Oberrohr hat oder nicht ist für die Beurteilung der Beonderheiten der Geometrie nebensächlich.
Jürgen Beilharz says
Hallo, sehr geehrte Damen und Herren
besitze seit Dez. 2017 auch ein Bulls Gravel Grindel 3. Habe ihren Test gelesen.
Folgende Frage; habe innerhalb von knapp 430 Kilometer 3 mal Plattfuß bekommen,
bin naturlich auch Wald u. Schotterwege gefahren. Haben Sie etwa auch das irgendeine in
Erfahrung gebracht? Fahre mit Luftdruck von 3,5 atü. Können Sie mir da irgendwie Auskunft geben.
Zur Steckachse am Vorderrad kann ich nur Gutes dazu sagen, weil ich ja die Platten immer
unterwegs bekam, lies ich mich von irgendeinem Auto welches gerade anhielt nach Hause fahren.
Dazu musste ich immer das Vorderrad entfernen und zwar ohne probleme.
Der Zusammenbau anschliesend und Stellackse festmachen war auch kein großer Aufwand und
leicht zu bewältigen.
Dies waren meine bisherigen Erfahrungen.
Für eine kurze Info wäre ich ihnen Dankbar.
Viele Grüße
J.Beilharz